Unsere Immobiliensachverständigen erklären, wie der Verkehrswert entsteht, worin er sich vom Kaufpreis unterscheidet – und welche Fehler Sie unbedingt vermeiden sollten.

1. Was ist der Verkehrswert?
Der Verkehrswert einer Immobilie – auch Marktwert genannt – ist der Preis, den eine Immobilie bei einem Verkauf unter normalen Marktbedingungen voraussichtlich erzielen würde. Er basiert auf objektiven Kriterien und wird häufig von einem Immobiliensachverständigen im Rahmen eines Gutachtens bestimmt.
Beim Verkehrswert handelt es sich also um eine Prognose oder Schätzung, nicht um den tatsächlich gezahlten Preis. Der Verkehrswert beschreibt den Preis, auf den sich Käufer und Verkäufer unter fairen Marktbedingungen wahrscheinlich einigen würden – also ohne Zwang, Zeitdruck oder Sondereinflüsse.
Wenn Immobiliengutachter einen solchen fairen & gesunden Markt meinen, sprechen sie meist vom „gewöhnlichen Geschäftsverkehr“. Deswegen auch der Name: Verkehrswert.
Wer es ganz genau wissen will: § 194 Baugesetzbuch (BauGB) liefert die offizielle Definition des Verkehrswerts.
Was zählt nicht zum Verkehrswert?
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Liebhaberpreise, die über dem Marktwert liegen
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Notverkäufe mit extrem niedrigen Preisen
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Individuelle Preisverzerrungen
Diese Preisabweichungen spiegeln nicht den objektiven Marktwert wider – deshalb sind sie keine Verkehrswerte.
2. Ist Verkehrswert gleich Kaufpreis?
Der Kaufpreis ist der Betrag, der tatsächlich gezahlt wurde – also das Ergebnis einer Transaktion. Der Verkehrswert hingegen ist eine objektive Schätzung. Der Kaufpreis kann dem Verkehrswert entsprechen, muss es aber nicht.
Zum Beispiel:
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Bei einem schnellen Verkauf kann der Preis unter dem Verkehrswert liegen.
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Bei starker Nachfrage (z. B. Bieterwettstreit) kann er darüberliegen.
Der Verkehrswert ist ein fundierte & objektive Prognose – der Kaufpreis ist die Realität.
3. Liefern Online-Immobilienbewertungen den Verkehrswert?
Kurz gesagt: Nein. Wer den Verkehrswert seiner Immobilie wissen will, braucht mehr als eine Online-Schätzung. Zwar liefern Tools wie Check24 & Co. eine erste Orientierung – mehr aber auch nicht.
Der Verkehrswert muss nach anerkannten Verfahren berechnet werden – idealerweise durch einen Gutachter, der Erfahrung, Marktkenntnis und Zugriff auf echte Vergleichsdaten hat.
Fazit: Online-Tools sind ein guter Startpunkt – aber keine belastbare Grundlage für Verkauf, Scheidung oder Finanzamt.

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4. Wonach richtet sich die Höhe des Verkehrswerts?
Der Verkehrswert einer Immobilie basiert auf einer fundierten Schätzung – nicht auf dem tatsächlich gezahlten Preis. Ein Immobiliensachverständiger bewertet dabei sowohl die objektiven Merkmale der Immobilie als auch die Erwartungen am Markt.
Beispielsweise stellt sich der Gutachter Fragen wie:
- Wie wird sich die Lage des Grundstücks künftig entwickeln?
- In welchem Zustand befinden sich Bausubstanz und Ausstattung?
- Wie verändern sich Mieten und Kaufpreise im Umfeld?
- Welche Investitionen sind nötig, um energetische Anforderungen zu erfüllen?
- Wie wettbewerbsfähig ist die Immobilie in 5 oder 10 Jahren?
Diese Einschätzungen verlangen Sachverstand – keine Spekulation.
Objektivität statt Bauchgefühl
Professionelle Immobiliengutachter arbeiten objektiv, begründet und nachvollziehbar. Sie stützen sich auf:
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Vergleichbare Kaufpreise (z. B. aus der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse)
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Gesetzliche Grundlagen (z. B. § 194 Baugesetzbuch, ImmoWertV)
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Wissenschaftlich anerkannte Verfahren
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Relevante Marktdaten und Liegenschaftsinformationen
Ihr Ziel: Ein realistischer, nachvollziehbarer Verkehrswert, der für Gerichte, Behörden oder Käufer gleichermaßen belastbar ist.
5. Zu welchem Zweck benötige ich den Verkehrswert?
Der Verkehrswert einer Immobilie spielt in vielen Lebenslagen eine entscheidende Rolle – auch dann, wenn kein Verkauf geplant ist. Er sorgt für Klarheit, Fairness und Rechtssicherheit. Hier sechs typische Anwendungsfälle:
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Immobilie verkaufen
Wer seine Immobilie verkaufen möchte, sollte den Marktwert realistisch kennen.
→ Überzogene Einstiegspreise schrecken Käufer ab und führen oft zu finanziellen Verlusten. -
Immobilie kaufen
Für Käufer ist der Verkehrswert eine wichtige Orientierung – schließlich geht es oft um die größte Investition ihres Lebens. -
Erbe, Schenkung oder Scheidung
In Erbschafts- oder Trennungsfällen dient der Verkehrswert als objektive Grundlage für faire Auszahlungen. -
Erbschafts- und Schenkungssteuer senken
Mit einem qualifizierten Verkehrswertgutachten lässt sich der steuerliche Wert oft deutlich reduzieren – das spart bares Geld. -
Zwangsversteigerung oder Enteignung
Behörden und Gerichte benötigen eine verlässliche Bewertungsbasis. -
Gesetzliche Betreuung & Nachweis wirtschaftlichen Handelns
Bei Betreuungsfällen dient der Verkehrswert als Beleg für wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen gegenüber dem Amtsgericht.
6. Wie ermittelt man den Verkehrswert einer Immobilie?
Der Verkehrswert wird in Deutschland nach festgelegten Verfahren berechnet. Im Kern geht es dabei um Vergleiche mit anderen Immobilien, deren Preise bereits bekannt sind. Immobiliensachverständige analysieren die Merkmale der Immobilie und wählen das passende Verfahren – je nach Objektart und Nutzung.
Der Grundgedanke – Preisvergleich mit ähnlichen Immobilien
Das Prinzip ist einfach:
Was wurde für vergleichbare Immobilien tatsächlich gezahlt?
So entsteht ein realistisches Bild vom Marktwert. Die Bewertung erfolgt aber nicht nach Bauchgefühl, sondern auf Basis wissenschaftlicher Methoden und gesetzlicher Vorgaben (z. B. ImmoWertV).
Die 3 Verfahren der Verkehrswertermittlung
In der Praxis und im Wertermittlungsrecht (ImmoWertV) haben sich drei Verfahren durchgesetzt:
1) Vergleichswertverfahren – der direkte Marktvergleich
Das Vergleichswertverfahren ist besonders dann geeignet, wenn es viele vergleichbare Immobilien gibt – z. B. bei Eigentumswohnungen oder unbebauten Grundstücken.
So funktioniert es:
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Analyse aktueller Kaufpreise vergleichbarer Objekte
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Anpassung der Werte anhand wertrelevanter Merkmale (z. B. Lage, Baujahr, Ausstattung)
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Ableitung des Verkehrswerts durch Mittelwertbildung
Vorteil: Marktpreise sprechen für sich.
Grenze: Bei individuellen Objekten (z. B. Villen) fehlt oft die Vergleichbarkeit.
2) Sachwertverfahren – wenn Substanz zählt
Das Sachwertverfahren wird vor allem bei Ein- und Zweifamilienhäusern angewendet, die eigengenutzt sind und nicht vorrangig aus Renditesicht gekauft werden.
So funktioniert es:
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Ermittlung des Bodenwerts
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Berechnung des Gebäudesachwerts (Herstellungskosten abzüglich Alterswertminderung)
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Summierung beider Werte = Sachwert
Dieses Verfahren beantwortet die Frage: Was würde es kosten, dieses Objekt neu zu bauen – abzüglich Alter und Abnutzung?
3) Ertragswertverfahren – für Kapitalanleger und Investoren
Das Ertragswertverfahren ist ideal für Objekte, die Erträge erwirtschaften – etwa Mietwohnungen, Mehrfamilienhäuser oder Gewerbeimmobilien.
So funktioniert es:
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Ermittlung der jährlichen Nettomieteinnahmen
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Abzug der Bewirtschaftungskosten
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Kapitalisierung der Erträge unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer
Hier steht nicht die Bausubstanz, sondern die zukünftige Rendite im Mittelpunkt.
Warum das Vergleichswertverfahren oft bevorzugt wird
In der Praxis gilt das Vergleichswertverfahren als „Königsweg“, weil es direkt am realen Marktgeschehen ansetzt. Anders als bei Modellrechnungen wird hier direkt mit tatsächlichen Kaufpreisen gearbeitet.
Damit dieses Verfahren funktioniert, müssen jedoch:
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ausreichend viele Vergleichsobjekte existieren,
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die Daten aktuell und belastbar sein,
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und Merkmale wie Lage, Zeitpunkt, Zustand etc. übereinstimmen.
Fazit: Verfahren hängt ab von Art & Nutzung der Immobilie
Welches Verfahren zum Einsatz kommt, hängt von der Art und nachhaltigen Nutzung der Immobilie ab. Ein erfahrener Gutachter wählt immer das methodisch passende Verfahren – oder kombiniert mehrere Ansätze, wenn es nötig ist.
7. Warum Verkehrswert und Kaufpreis oft voneinander abweichen
In der Praxis sind Verkehrswert und tatsächlicher Kaufpreis selten identisch. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Gutachten „falsch“ ist – sondern dass der Markt subjektiv tickt.
Hier drei Hauptgründe, warum der Kaufpreis höher oder niedriger als der Verkehrswert ausfallen kann:
1) Objektivität vs. Subjektivität
Der Verkehrswert berücksichtigt alle wertrelevanten Merkmale neutral und methodisch:
Lage, Zustand, Ausstattung, Energieeffizienz, Ertragspotenzial, rechtliche Gegebenheiten und vieles mehr.
Ein Käufer dagegen entscheidet oftmals emotional und selektiv.
Beispiele:
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Eine besondere Architektur, ein spektakulärer Ausblick: Für manche ist das so entscheidend, dass über objektive Nachteile oder marktübliche Preise subjektiv übermäßig hinweggesehen wird (Stichwort Liebhaberpreis).
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Umgekehrt kann ein Käufer ein ansonsten gutes Objekt ablehnen, weil er z. B. partout keine Wohnung im Hochparterre will – und weniger bietet.
Fazit: Kaufpreise spiegeln individuelle Präferenzen wider, nicht immer den objektiven Marktwert.
Experten-Tipp: Wie Sie den Verkaufserlös steigern können
Liebhaberpreise bleiben die absolute Ausnahme. Anstatt darauf zu hoffen, sollten Sie lieber in gutes Marketing investieren oder einen Makler beauftragen, der dies tut. In diesem Artikel belegen wir anhand von wissenschaftlichen Studien, wie hochwertiges Marketing den Erlös signifikant steigert.
2) Der Verkehrswert ist eine Schätzung – mit Toleranz
Auch wenn ein Gutachten eine exakte Zahl nennt – Sie erinnern sich bestimmt an Kapitel 1: Der Verkehrswert ist und bleibt eine Schätzung. Daher liegt er natürlich in einer tolerierbaren Bandbreite.
Warum das so ist:
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Immobilien sind Einzelstücke, selten 1:1 vergleichbar.
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Auch wenn von manchen Anbietern manchmal anderes behauptet wird: Der Verkehrswert lässt sich nicht auf den Cent genau bestimmen – er liegt innerhalb eines vertretbaren Korridors.
Trotzdem braucht das Wirtschaftsleben harte Zahlen:
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Käufer kaufen keine Spannen.
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Das Finanzamt verlangt präzise Angaben.
Ein abweichender Kaufpreis ist also nicht automatisch „falsch“ – sondern Ausdruck der natürlichen Spielräume im Markt.
Haben Sie es gewusst?
Sämtliche sog. „kostenlose Immobilienwert-Rechner“ arbeiten mehrheitlich mit Angebotspreisen – also mit Wunschpreisen von Verkäufern aus dem Internet. Je nach Marktlage kann dies die ermittelten Werte signifikant nach oben oder unten verzerren.
3) Der Markt verändert sich – manchmal sehr schnell
Ein Verkehrswert ist immer bezogen auf einen Stichtag – er gilt zum sogenannten Wertermittlungsstichtag.
Doch der Markt schläft nicht:
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Beispiel 1: Boom-Zeiten
2018–2021 stiegen die Immobilienpreise so rasant, dass Verkehrswerte oft schon wenige Monate später veraltet waren. -
Beispiel 2: Zinswende 2022
Der plötzliche Anstieg der Bauzinsen führte zu einem abrupten Nachfrageeinbruch – viele Immobilien verloren relativ schnell an Marktwert. -
Beispiel 3: Katastrophen-Ereignisse
Die Flut im Ahrtal 2021 zerstörte innerhalb weniger Tage komplette Immobilienmärkte – ein drastisches Beispiel dafür, wie volatil Immobilienwerte sein können.
8. Häufige Fehler – was der Verkehrswert nicht ist
Nachdem Sie nun wissen, was der Verkehrswert einer Immobilie ist – wird es Zeit, mit einigen Missverständnissen aufzuräumen. Denn besonders in Online-Tools oder bei unseriösen Anbietern kursieren Fehleinschätzungen, die zu falschen Erwartungen führen.
Hier sind sechs Warnzeichen, bei denen Sie skeptisch werden sollten:
1) Scheingenauigkeit
Ein Verkehrswert auf den Cent genau?
Unseriös. Der Verkehrswert ist ein Schätzwert, kein Labormesswert. Seriöse Gutachter runden:
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bei höheren Werten auf Zehntausender
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bei einfacheren Objekten auf Tausender
➡️ Präzision ist wichtig – aber mathematische Exaktheit ist hier fehl am Platz.
2) Wertspannen statt Festlegung
Wenn Ihnen eine breite Wertspanne präsentiert wird, ist Vorsicht geboten.
Ein Gutachter muss sich festlegen – auch wenn eine Bandbreite plausibel ist.
➡️ Nur ein konkret bezifferter Verkehrswert hat Relevanz bei Gericht, Behörden oder Banken.
3) Verwechslung mit dem Beleihungswert
Achtung bei Bankgutachten: Verwechseln Sie den Verkehrswert nicht mit dem sogenannten Beleihungswert.
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Der Beleihungswert ist konservativer als der Verkehrswert.
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Er sichert die Bank für den Worst Case ab.
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Er liegt in der Regel unter dem Verkehrswert (meist ca. 10-20 %).
➡️ Lassen Sie sich den Unterschied klar erklären – und vergleichen Sie keine Äpfel mit Birnen.
4) Kein Gegen-Check im Gutachten
Ein gutes Gutachten steht nicht allein im Raum.
Ein rechtskonformes muss plausibilisiert werden.
Professionelle Gutachter prüfen ihren ermittelten Wert z. B. durch:
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Auszüge aus der Kaufpreissammlung
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Zweitverfahren zur Kontrolle
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externe Marktdaten (z. B. Bodenrichtwerte)
➡️Fehlt diese Plausibilität, fehlt die Verlässlichkeit.
5) Gutachten basiert auf Angebotspreisen
Angebotspreise ≠ Verkaufspreise. Was auf Immobilienportalen steht, sind Wunschpreise – keine realen Marktdaten.
➡️ Ein Verkehrswertgutachten darf niemals auf Inseraten basieren. Es zählt: Was wurde bezahlt – nicht was wurde verlangt.
6) Unrealistische Höchstpreise als Verkaufsversprechen
Wenn Ihnen jemand verspricht, Ihre Immobilie zu einem Liebhaberpreis zu verkaufen – seien Sie bitte skeptisch, auch wenn es verlockend klingt.
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Studien zeigen: Bis ca. 5 % Verhandlungsspielraum erzielen die besten Ergebnisse.
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Wer zu hoch einsteigt, riskiert längere Vermarktung und Preisverluste
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„Höchstpreise“ sind Ausnahmen, keine Strategie
➡️ Setzen Sie lieber auf den echten Marktwert mit einem moderaten Verhandlungsspielraum, nicht auf Wunschdenken.
9. Fazit: Was den Verkehrswert so wertvoll macht
Ein realistischer Verkehrswert ist das Gegenteil von Augenwischerei. Er ist:
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belastbar
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nachvollziehbar
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professionell ermittelt
Und genau deshalb ist er so wertvoll – für Ihre Entscheidung, Ihre Verhandlung und Ihre Planung.