Gutachter erklärt: Unterschied zwischen Verkehrswert und Kaufpreis einer Immobilie

Unsere Immobiliengutachter erklären Ihnen, was der Verkehrswert einer Immobilie ist, wie er sich vom Kaufpreis unterscheidet und auf welche häufigen Fehler Sie achten sollten bei diesem Thema.

Verkehrswert ermitteln

1. Unterschied Verkehrswert und Kaufpreis einer Immobilie

Wer vom Verkehrswert einer Immobilie spricht, meint den Preis, bei welchem sich Verkäufer und Käufer im nächsten Verkauf einer Immobilie höchstwahrscheinlich einigen werden. Der Verkehrswert ist also eine Prognose. Meist schätzt ein Immobiliengutachter den Verkehrswert im Rahmen eines Immobiliengutachtens.

Nicht jeder Preis ist jedoch der Verkehrswert. Liebhaberpreise sind zum Beispiel keine Verkehrswerte. Minimalpreise aber auch nicht. Es ist der Preis gemeint, der ohne Zwang oder Not in einem freien und gesunden Markt höchstwahrscheinlich für ein Haus, für eine Wohnung oder ein Grundstück erzielbar wäre. Immobiliengutachter sprechen hier vom „gewöhnlichen Geschäftsverkehr“. Deswegen auch der Name: Verkehrswert. Manche nennen ihn auch Marktwert. Verkehrswert und Marktwert bedeuten dasselbe.

Ist Verkehrswert gleich Kaufpreis?

Der Kaufpreis einer Immobilie hingegen ist der tatsächlich erzielte Preis für eine Immobilie. Hier hat die Transaktion also bereits stattgefunden. Der Markt weiß jetzt, auf welchen Preis sich Käufer und Verkäufer letztlich geeinigt haben. Manchmal entspricht der Kaufpreis dem Verkehrswert einer Immobilie, wenn der Kaufpreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt wurde. In der Regel weichen beide Werte aber voneinander ab. Dazu später mehr.

2. Wonach richtet sich die Höhe des Verkehrswerts?

Der Unterschied zwischen Verkehrswert und Kaufpreis verdeutlicht, dass der Verkehrswert auf einer Schätzung beruht. Ein Gutachter schätzt die Wechselwirkungen ein aus Immobilie und den Zukunftserwartungen der Marktteilnehmer: Wie wird sich die Lage des Grundstücks zukünftig wohl entwickeln? Wie die Mietpreise? Kann ich energetisch unsanierte Immobilien in Zukunft überhaupt noch vernünftig bewirtschaften, ohne viel Geld in die Modernisierung zu stecken?

All dies und vieles mehr sind Fragen, die ein Gutachter beurteilen muss. Wichtig ist hierbei aber: Er darf nicht spekulieren. Daher ermitteln professionelle Immobiliengutachter den Verkehrswert objektiv, begründet und nachvollziehbar. Immobiliengutachter besitzen eine besondere Sachkunde und nutzen wissenschaftliche Methoden, geeigneten Daten, tatsächlich erzielte Kaufpreise und halten sich an gesetzliche Normen (z.B. § 194 Baugesetzbuch, ImmoWertV).

3. Zu welchem Zweck benötige ich den Verkehrswert?

Der Verkehrswert einer Immobilie ist im Wirtschaftsleben von überragender Bedeutung. Nicht zuletzt, weil Immobilien nicht immer verkauft werden, man aber trotzdem einen Verkaufswert benötigt. Hier sind 6 Beispiele:

  • Verkäufer sollten den Marktwert ihrer Immobilie kennen, um optimale Erlöse zu erzielen: In diesem Artikel erklären wir, wie überhöhte Einstiegspreise zu deutlichen finanziellen Verlusten führen können
  • Käufer von Immobilien sichern sich ab vor finanziellen Verlusten: Für viele ist gerade der Immobilienkauf die finanziell folgenschwerste Entscheidung
  • Immer dann, wenn faire und objektive Lösungen gesucht sind: Wenn sich in Scheidungs- oder Erbfällen die Parteien gegenseitig auszahlen möchten
  • Wer eine Immobilie erbt oder geschenkt bekommt, kann mit einem Verkehrswertgutachten oft die zu zahlende Erbschaftssteuer oder Schenkungssteuer senken
  • In Fällen von Enteignung oder der Zwangsversteigerung einer Immobilie
  • Wenn Sie als gesetzlicher Betreuer eines Eigentümers dessen Immobilie verkaufen wollen

4. Warum der Verkehrswert höher oder niedriger als der Verkehrswert sein kann

In der Regel sind Kaufpreis und Verkehrswert nicht identisch. Wenn der Verkaufspreis höher oder niedriger als der Verkehrswert ist, kann dies verschiedene Gründe haben, und muss nicht gleich heißen, dass der Gutachter in der Verkehrswertermittlung daneben lag. Wir zählen nachfolgend drei wichtige Aspekte auf:

a) Der Verkehrswert berücksichtigt alle wertrelevanten Merkmale einer Immobilie, der Kaufpreis ist subjektiv und deshalb „wählerischer“

Bei der Verkehrswertermittlung werden alle wertrelevanten Merkmale einer Immobilie nach objektiven Kriterien bewertet: Also die Lage, Gebäude und Außenanlagen, Ausstattung, Energieeffizienz, Erträge, rechtliche Gegebenheiten und vieles mehr. Einzelne Käufer hingegen tendieren manchmal dazu, auf einige Aspekte stärker Wert zu legen als auf andere.

Für manche ist ggf. die einzigartige Bauweise der Immobilie entscheidend, sodass über objektive Nachteile womöglich subjektiv hinweggesehen wird. Das kann dazu motivieren, mehr für ein Haus zu bezahlen, als es evtl. ein wirtschaftlich denkender und handelnder Marktteilnehmer tun würde. Wer aber nun auf einen sog. „Liebhaberpreis“ für seine Immobilie hofft, sollte vorab diesen Artikel lesen.

b) Der Verkehrswert ist ein Schätzwert und liegt innerhalb einer Toleranzspanne

Der Verkehrswert muss zwar zwingend mit einer Summe genau angegeben werden, jedoch ist er eigentlich eine begründete Schätzung, die notwendig innerhalb einer Spanne liegt. Der Verkehrswert kann de facto nicht exakt bemessen werden.

Eine Wertspanne wäre jedoch im Wirtschaftsleben unbrauchbar. Käufer bezahlen schließlich keine Wertspannen, und auch das Finanzamt besteuert nur Einzelwerte. Der tatsächliche Kaufpreis kann und darf also von der Schätzung abweichen, solange dies in einem vertretbaren Rahmen bleibt.

Immobiliengutachter sind übrigens genau deshalb unverzichtbar: Bei Immobilien ist das Marktgeschehen nämlich in hohem Maße undurchsichtig. Tatsächliche Kaufpreise sind u.a. aus Datenschutzgründen nicht öffentlich einsehbar.

Nach DIN-ISO-zertifizierte Immobiliengutachter können hingegen beim örtlichen Gutachterausschuss auf offizielle Kaufpreise und Marktdaten zugreifen – auf die Hausnummer genau. Dadurch können wir Gutachter das gesamte Marktgeschehen aus Privatpersonen und Immobilienmaklern überblicken.

Haben Sie es gewusst?

Sämtliche sog. „kostenlose Immobilienwert-Rechner“ arbeiten mehrheitlich mit Angebotspreisen – schlimmstenfalls also mit Wunschpreisen von Verkäufern aus dem Internet. Je nach Marktlage kann dies den Verkehrswert signifikant nach oben oder unten verzerren.

c) Der Markt hat sich gewandelt

Ein Immobiliengutachter gibt in seinem Gutachten immer den Tag an, zu dem der Verkehrswert gilt: den Wertermittlungsstichtag. Wenn Sie Ihr Haus aber erst ein halbes Jahr später verkaufen, kann der Kaufpreis teils deutlich vom damals ermittelten Verkehrswert abweichen. Das kann daran liegen, dass der Markt seither, wie in den vergangenen zehn Jahren, besonders dynamisch gestiegen ist.

Gerade in den Jahren von 2018-2021 wiesen Gutachten eine eher kurze „Halbwertszeit“ auf. Einfach weil die Preise im Rekordtempo anstiegen. Manchmal ändert sich ein Verkehrswert aber auch besonders drastisch in die andere Richtung.

Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist der drastische Anstieg der Baukreditzinsen Anfang 2022 („Zinswende“), welcher nahezu zu einem Stillstand auf dem Markt führte. Ein noch krasseres Beispiel mag die zerstörerische Flut im Ahrtal 2021 sein, welche auf dramatische Weise verdeutlicht, wie kurzlebig bisweilen ermittelte Verkehrswerte sein können.

5. Wie ermittelt man den Verkehrswert einer Immobilie?

Das Prinzip ist einleuchtend: durch Preisvergleich. Man recherchiert, was für ähnliche Objekte in der Vergangenheit tatsächlich gezahlt wurde. Immobiliengutachter vergleichen demnach hinreichend vergleichbare Objekte mit dem Bewertungsobjekt und gelangen durch Anpassungen zum Verkehrswert – vereinfacht gesprochen.

Für diesen Preisvergleich haben sich im deutschen Wertermittlungsrecht insbesondere drei Verfahren herausgebildet: das Vergleichswertverfahren, das Sachwertverfahren und das Ertragswertverfahren. Je nachdem, welche Immobilienart bewertet werden soll.

Am Immobilienmarkt gibt es verschiedene Wertvorstellungen

Jedes dieser Wertermittlungsverfahren hat das Ziel, das Marktgeschehen eines bestimmten Immobilienteilmarkts vorherzusagen und abzubilden. Das hat damit zu tun, dass am Immobilienmarkt verschiedene Vorstellungen darüber existieren, wie der Wert einer Immobilie zustande kommt. So denkt ein Kapitalanleger oder Investor zum Beispiel anders als eine junge Familie, die ein Eigenheim sucht.

Den Verkehrswert leitet man am ehesten von dem Verfahren ab, dass dem Marktdenken der beteiligten Akteure am besten entspricht.

Warum das Vergleichswertverfahren der Königsweg ist

Das Vergleichswertverfahren ist dabei das privilegierteste unter den drei Verfahren. Das hat damit zu tun, dass bei diesem Verfahren Kaufpreise ähnlicher Immobilien direkt miteinander verglichen werden – ohne Umwege. Diese Vergleichspreise müssen in den wertrelevanten Kriterien übereinstimmen mit dem Bewertungsobjekt, wie z.B. Lage, Verkaufszeitpunkt, Ausstattung, Baujahr, usw.

Achten Sie auf die Quellen der Gutachter!

Das zeigt einmal mehr, wie wichtig die Datenquellen des Gutachters sind. Fragen Sie Ihren Gutachter ruhig, woher er seine Vergleichskaufpreise bezieht. Die beste und verlässlichste Datenquelle in Deutschland ist die Kaufpreissammlung des örtlichen Gutachterausschusses. Auf diese Sammlung haben jedoch nicht alle Gutachter Zugriff.

Unsere Verkehrswertgutachten basieren auf echten Kaufpreisen aus der Kaufpreissammlung der örtlichen Gutachterausschüsse.

Da Immobilien aber in der Regel Wirtschaftsgüter mit sehr hohem Individualitätsgrad sind, gelangt das Vergleichswertverfahren schnell auch an seine Grenzen. Weil die Vergleichbarkeit eben nicht mehr gegeben ist. Für Eigentumswohnungen oder unbebaute Grundstücke eignet sich das Vergleichswertverfahren aber in der Regel hervorragend.

Beim Sachwertverfahren ist die Substanz maßgeblich

Das Sachwertverfahren wiederum ist auch ein Preisvergleich, allerdings vergleichen Gutachter nicht mehr Kaufpreise direkt miteinander. Beim Sachwertverfahren nehmen Gutachter die Grundstückssubstanz als Vergleichsmaßstab. Die Grundstückssubstanz wird ermittelt aus dem Bodenwert und den Herstellungskosten für die Gebäude und Außenanlagen (Gebäudesachwert).

Dieses Verfahren eignet sich ideal zur Bewertung von meist eigengenutzten Objekten wie Ein-/Zweifamilienhäusern. Hier ist die Überlegung meist: Was würde es mich kosten, ein vergleichbares Haus an einem anderen Ort zu bauen? Solche Objekte werden weniger aus Renditegesichtspunkten erworben, sondern meist gesucht, um darin „schön“ zu wohnen.

Für manche Käufer sind die Erträge einer Immobilie entscheidend

Das Ertragswertverfahren schließlich vergleicht Immobilien anhand Ihrer Ertragschancen und leitet davon deren Wert ab. Hier sind vor allem die Mieten und Pachten interessant. Wir sind also mitten im Markt der Investoren und Kapitalanleger.

Ein klassisches Ertragsobjekt wäre z.B. ein 1-Zimmer-Appartement oder ein Mehrfamilienhaus. Zum klassischen Anwendungsgebiet für das Ertragswertverfahren zählen natürlich auch Gewerbe- und Industrieimmobilien.

6. Häufige Fehler: Was der Verkehrswert nicht ist

Nachdem Sie nun wissen, was der Verkehrswert ist, sollten Sie auch wissen, was er nicht ist. Denn es kursieren Missverständnisse und Angebote unseriöser Anbieter. Wir zählen Ihnen 6 Punkte auf, bei denen Sie skeptisch werden sollten:

  • Scheingenauigkeit: Man präsentiert Ihnen einen Wert, der – so scheint es – auf den Cent genau angeben wird. Professionelle Gutachter runden Verkehrswerte jedoch auf volle Zehntausender, bei geringeren Immobilienwerten auf volle Tausender. Es bleibt eben immer ein Schätzwert.
  • Wertspannen als Verkehrswert: Sie bekommen eine (meist ausladende) Spanne aufgetischt, in welcher der Verkehrswert liegen soll. Ein Gutachter vom Fach hat sich auf einen Wert festzulegen.
  • Ihre Bank sieht den Marktwert kritisch: Das liegt auch in ihrer Natur und ist erst einmal in Ordnung. Problematisch wird es nur, wenn der Verkehrswert mit dem sog. Beleihungswert verwechselt wird, der für Kreditvergaben wichtig ist. Der Beleihungswert liegt immer unterhalb des Verkehrswerts, da er deutlich konservativer ermittelt wird.
  • Verkehrswert wird nicht „gegengecheckt“: Wenn Sie ein Gutachten lesen, ohne dass der ermittelte Wert einer Plausibilisierung unterzogen wird, sollten Sie skeptisch werden. Ein professioneller Gutachter wird sich immer um eine Überprüfung seiner Ergebnisse bemühen (z.B. mit einem Auszug aus der örtlichen Kaufpreissammlung, mit einem zweiten Wertermittlungsverfahren, oder einem anderen geeigneten Datenabgleich).
  • Wertgutachten basiert auf Angebotspreisen: Das sind lediglich die Preise, zu denen Immobilien am Markt angeboten werden. Diese haben kaum Aussagekraft und haben in einer seriösen Wertermittlung nichts zu suchen. Sie wollen schließlich wissen, zu welchen Preisen Immobilien verkauft werden, und nicht, zu welchen sie angeboten werden.
  • Ihnen werden Höchstpreise beim Verkauf versprochen: Das einzige, worauf Sie grundsätzlich hoffen dürfen, ist ein realistischer Marktwert. Alle Preisstrategien beim Verkauf, die deutlich darüber ansetzen, sind riskant und schnell mit Verlusten verbunden. Das zeigen Studien. Auch wenn es immer auf den Einzelfall ankommt, ist die Datenlage klar: Liebhaberpreise und andere Ausreiser bleiben die absolute Ausnahme.

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